Wir hatten die Abtei in einem schlechten Zustand vorgefunden. Teile des alten Kreuzgangs waren schwer beschädigt. Fenster fehlten, Regen war eingedrungen, wir konnten durch eingestürzte Decken von einem Stockwerk zum anderen sehen, und selbst an die historischen Mauern waren behelfsmäßige Anbauten angebaut. Das Erstaunliche war jedoch, dass selbst in diesem erbärmlichen Zustand die Seele der Abtei unversehrt geblieben war. Dies zeugt von einer beeindruckenden strukturellen Integrität, die auf die ursprüngliche Vision der Mönche zurückgeführt werden kann. Sie hatten die Abtei in dem Bewusstsein erbaut, dass diese sie lange überdauern würde. Sie dachten an das Erbe, das sie künftigen Generationen hinterlassen würden, und wählten einen Bauplan, der auf Dauer angelegt war. Trotz der jahrhundertelangen Vernachlässigung war das Bauwerk noch intakt, ebenso wie der Geist der Abtei.
Unser Auftrag bestand darin, in die Abtei die notwendigen Räume und andere Funktionen zu integrieren, die für das neue und wachsende Weingeschäft benötigt wurden – Arbeitsplätze, Büros, Besprechungsräume, einen Speisesaal für die Mitarbeiter und die Weinhandlung.
Es war von Anfang an klar, dass wir bei der Restaurierung des Gebäudes den authentischen Charakter der Abtei ehren und bewahren wollten. Einem so historischen Gebäude eine neue architektonische Handschrift aufzudrücken, würde die ursprüngliche Vision nur beeinträchtigen. Wir widmeten uns der Aufgabe, Lösungen innerhalb des bestehenden konzeptionellen Rahmens zu finden – und fragten uns immer zuerst, wie die Mönche jedes Problem angegangen wären. Wann immer möglich, wurden authentische Materialien, Farben und Techniken verwendet. Es wurden zwar quantitative Eingriffe vorgenommen, um die Innenräume auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen, aber diese Eingriffe wurden für den Betrachter unsichtbar gemacht.
Eingriffe in ein bestehendes Gebäude haben einen Maßstab, der bei einem Neubau fehlt, nämlich das Original. Lösungen für dieses einzigartige Objekt ließen sich nicht am Schreibtisch entwerfen, da jeder Raum der Abtei von den Mönchen individuell gestaltet worden war. So war beispielsweise jedes Fenster ein Unikat. Die außergewöhnlichen Eigenschaften der Unregelmäßigkeit und Ungenauigkeit, die den Individualismus der Abtei ausmachen, zogen sich in der Folge durch alle Restaurierungsarbeiten. Wir mussten uns ständig neue Fertigkeiten aneignen, sei es im Umgang mit den unregelmäßigen Böden oder den ungewöhnlichen bronzenen Fensterrahmen. Ständiges Hinterfragen brachte völlig neue Perspektiven und unerwartete Hindernisse verlangten regelmäßig nach erfinderischen Lösungen. Oft erwiesen sich Entscheidungen, die im Büro getroffen wurden, vor Ort als nicht umsetzbar, und alles hing davon ab, was mit den örtlichen Handwerkern erreicht werden konnte. Das alte Gebäude schien nach eigenen Lösungen zu verlangen, während unsere Fähigkeiten für die heutigen Standards geschärft worden waren. Für die meisten von uns bedeutete diese Erfahrung eine außergewöhnliche persönliche und berufliche Herausforderung.
Planung und Realisierung: 2006 – 2016, Valladolid, Spanien
Architektur: Marco Serra, Basel, Mitarbeiter Stefan Fürst
Generalplanung: Burckhardt & Partner AG, Basel
Möblierung: Marlene Doerrie Lampugnani, Mailand
Landschaftsarchitektur: Kuenzel Landschaftsarchitekten, Basel
Beleuchtung: LichtKunstLicht, Bonn
Corporate Identity: Mifflin-Schmid design, Zürich
Spa: Diener & Diener Architekten, Basel